Nachdem Fatima die Scheidung eingereicht hat, drehte ihr Mann durch. Mehrere Wochen lang ruft Fatima, 43 Jahre alt, Mutter von drei Kindern, fast täglich bei der Polizei an, um ihren Mann anzuzeigen. Er wird sie umbringen, sagte er am Telefon, oder bedrohte Fatima vor der Tür ihres Arbeitsplatzes, einer Pizzeria in Hernals. Er ruft Fatimas erwachsenen Sohn an und sagt, dass er Fatima umbringen wird. Auch der Sohn zeigt den Stiefvater deswegen mehrmals an.
Bedrohungen nicht ernst genommen
Trotz Wegweisung und Lokalverbot lauert der Mann vor der Pizzeria und bedroht Fatima. Bei der Polizei werden die Anzeigen aufgenommen – getan wird nichts. Keine U-Haft, denn trotz Warnungen der Kriseninterventionsstelle und der Polizei sieht die Staatsanwaltschaft keine Tatbegehungsgefahr. Der Mann wird auf freiem Fuß angezeigt und Wochen später zu einem Verhör geladen.
Für Fatima zu spät – denn am 11. September 2003, zwei Wochen vor der Einvernahme, kauft ihr Mann ein Messer, lauert Fatima auf der Straße auf und sticht sie mit 10 Messerstichen nieder.
Zweiter Fall ein Jahr früher
Fatima hat alles getan, was man nur tun kann um sich zu schützen, sagt Tamar Citak, Beraterin bei der Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt – trotzdem ist sie tot, weil die Behörden die Bedrohung nicht ernst genommen haben.
Fatima ist kein Einzelfall. Ein Jahr zuvor musste Sahide sterben, trotz einer dicken Misshandlungsakte und obwohl sogar ihr Schwager bei der Polizei angezeigt hatte, dass sein Bruder, trotz Waffenverbot, eine illegale Waffe besitzt. Es gibt keine Hausdurchsuchung, der Mann wird nicht in U-Haft genommen. Er erschießt Sahide vor den Augen ihrer beiden kleinen Töchter.
Österreich muss Stellung nehmen
Für Anna Sporrer, Juristin und Obfrau des Vereins Frauen Rechtsschutz war die Untätigkeit der Behörden in beiden Fällen ein fatales Signal an die Täter. Deshalb auch der Gang vor das UNO-Tribunal, denn damit wird die Republik Österreich gezwungen, die Fälle auf Fehlverhalten der Polizei oder der Justiz hin zu untersuchen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen, sagt Sporrer.
Denn Fathima und Sahide sind keine Einzelfälle. In einer Studie hat das Institut für Konfliktforschung festgestellt, dass jede zweite Anzeige von Körperverletzungen gegen Frauen eingestellt wird, bei Anzeigen wegen gefährlicher Drohung werden sogar 60 Prozent aller Anzeigen eingestellt.
Gesetze sollen angewandt werden
Für Sporrer sind keine Gesetzesänderungen nötig, mehr Sensibilität bei Polizei und Justizbehörden wären wichtig, sagt Sporrer. Denn oft komme es vor, dass die Polizei der Ansicht ist, die Frauen selbst seien an ihrer Situation schuld.
Gemeinsam mit Rosa Logar, der Leiterin der Interventionsstelle, fordert Sporrer eine Spezialisierung von Staatsanwälten und Richtern auf Gewaltdelikte in der Familie. Auch mehr Schulungen und Supervision für alle, die häufig in diesem Bereich arbeiten, wäre wichtig, sagt Sporrer.